„Preßfreiheit ist nicht gleich Pressefreiheit“, eröffnete Michael Kitzing seinen gut besuchten sechzigminütigen Vortrag im Römermuseum Osterburken. Auf Einladung des Historischen Vereins Bauland zeichnete er die Gründe für den Ausbruch der Revolution im Bauland und die Ursache für ihr (vorläufiges) Scheitern in den Wirren von 1849 nach.
Dr. Michael Kitzing aus Singen wurde mit der Geschichte der badischen Zentrumspartei in der Weimarer Republik promoviert und reichte unlängst seine Habilitation über Alex Möller an der Universität Chemnitz. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt sind die Regierungsprotokolle aus Württemberg – Baden in den Jahren 1945-1946. Er war zum dritten Mal beim Historischen Verein Bauland zu Gast.
Verstanden die Bürger in den Städten unter Pressefreiheit das Recht auf freie Meinungsäußerung, wollten die Bauländer Bauern eine Befreiung von der Pression durch die verhassten Grundherren. Vor allem die Leininger und Wertheimer Fürsten bestimmten das Leben auf dem Land.
Die Zeit zwischen 1800 und 1848 war im Bauland, so Kitzing, eine Zeit der Verharrung und der Dynamik. Ursächlich dafür war der Verlust ihrer linksrheinischen Gebiete im Zuge der Revolutionskriege gegen Frankreich. 1803 führte dies im Zuge des sog. Reichsdeputationshauptschluss zur Entschädigung der Fürsten mit rechtsrheinischen Territorien.
So hielten sich zum Beispiel der Großherzog von Baden und der bayrische König an den Gebieten der alteingesessenen Fürsten von Leiningen und Wertheim schadlos – diese blieben allerdings unter Beibehaltung der meisten ihrer Privilegien als Unterherren im Amt.
In dieser Stellung kontrollierten sie die lokale Gerichtsbarkeit, hatten ein Monopol auf die Jagd und die Fischerei und bestimmten bei der Wahl der Pfarrer, der Bürgermeister und Gemeinderäte mit. Darüber hinaus war ein solches Amt auch finanziell interessant. Neben der Befreiung von den Gemeindelasten erhielt der Grundherr Zuzugs- und Abwanderungsgelder und einen Anteil von Erbangelegenheiten und Verkäufen. Zudem waren die Bauern zur Fronarbeit verpflichtet. Die Mitgliedschaft in der ersten badischen und bayerischen Kammer garantierte die Standesgleichheit mit den Landesfürsten.
Die von Ort zu Ort wechselnden Bestimmungen und ihre Folgen sorgten für Verbitterung bei den Bauern, die durch Missernten und Tierverbiss und dem zur Schau gestellten Repräsentationsanspruch der teils landfremden Herrschaft weiter aufgestachelt wurde. Attacken der badischen Bürokratie auf die anachronistischen Strukturen taten ihr Übriges. An den Verhältnissen änderte auch die neue Gemeindeordnung von 1831 nichts Wesentliches.
Erst in den 1840ern kam es zu Ablöseverträgen für die Zehnten und die Frondienste im Umfang von 20 Jahreszehnten zwischen dem Großherzog von Baden und den Fürsten von Leiningen und Wertheim. Die Ablöseprozesse selbst am Hofgericht in Mannheim und im Deutschen Bund verliefen schleppend, da die führende Bundesmacht Österreich die Unterherren gegen die liberale Verwaltung der Mittelstaaten stützte.
Die Februarrevolution in Paris führte zwischen dem 6. und 9. März 1848 zum Aufstand in der Region. In Erinnerung an die Anfangserfolge der sogenannten „Hellen Haufen“ von 1525 wurden die Vorgänge als neuer Bauernkrieg aufgefasst, was auch einen starken literarischen Niederschlag fand. Das Leiningische Rentamt in Wertheim wurde zuerst angegriffen. Vor allem Pfarrer, Notare und Anwälte wurden als Elemente der leiningischen Ordnung durch die dörflichen Eliten, in der Regel Wirte und Gemeinderäte, angegangen. Noch aber war der Großherzog und Landesherr nicht das Ziel.
Die Ereignisse gingen von Ort zu Ort. Rund zwei Dutzend antisemitische Angriffe waren zu verzeichnen. Dabei waren die Bauern durch frühkommunistische Ideen angestachelt, die den Diebstahl bei Reichen guthießen. Da Juden als vermögend galten, hielt man sich an diesen schadlos. Für vier Tage brach die Herrschaft der Krone komplett zusammen. Insgesamt fehlte ein bürgerliches Gegengewicht, resümierte Kitzing. Daher musste der Staat militärisch reagieren. Den Höhe- und Endpunkt fanden die Ereignisse am 9. März mit dem Einmarsch badischer Soldaten.
Die Rechte der Unterherren wurden gegen eine Entschädigung nun komplett aufgehoben. Sie behielten aber ihre Standesgleichheit und blieben Mitglieder der ersten Kammern.
Insgesamt waren die Folgen für die Bauern überschaubar, da sich die Beteiligten gegenseitig mit Alibis versorgten. Nur bei den Bürgermeistern und den Gemeinderäten ließ sich deren Mitwirkung nicht verleugnen. Allein in Osterburken setzte es, so Kitzing, 20 Jahre Haft und 14.000 Gulden Strafe.
Erneut unruhig wurde es im November infolge der Erschießung des Parlamentariers Robert Blum. In den Odenwaldgemeinden gedachte man seiner mit Steuerverweigerungen. Neu war der wachsende Zorn auf das Haus Baden, der sich unter anderem in der Zeitung „Der Volksführer“ in Heidelberg niederschlug. Im Winter entstanden in der Mehrheit republikanische Volksvereine, die Tausende zu mobilisieren vermochten, und liberal- konservative Vaterländische Vereine. Verschärft wurde die Lage durch die Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Zuletzt stand der Kampf badischer Revolutionäre um Rastatt. Gescheitert sind die Bemühungen letztlich an den unterschiedlichen Interessen der Beteiligten und am Rückzug allzu vieler, die nicht bereit waren, für ihre Ideale auch zu kämpfen.
Gescheitert aber ist die Revolution nur kurzfristig. Bereits in den 1860ern erhöhten sich die Möglichkeiten der Mitwirkung der Menschen beträchtlich, was 1919 in die erste republikanisch-demokratische Verfassung auf deutschem Boden mündete, schloss Kitzing seinen Vortrag.
Zahlreiche Nachfragen und Diskussionsbeiträge bewiesen, das Kitzing und der Historische Verein Bauland auf das richtige Thema gesetzt haben. Auf die künftigen Vorträge darf man sich daher heute schon sehr freuen.